Ursulas Rede / Ursulas speech

 

Ein Gedenktag wie der 27.Januar

der stellvertretend für alle Konzentrationslager

an die Befreiung von Auschwitz und den Holocaust erinnert,

weckt bei uns allen unterschiedliche Gefühle

 

Es ist die Erinnerung an eine Zeit,

in der die Menschen sich

mit tödlichen Konsequenzen

entscheiden mussten:

Für die Liebe oder Verrat,

für Freundschaft oder Feigheit

für Hilfsbereitschaft oder Gleichgültigkeit

 

Unser Erinnern ist ein Versuch der Bewältigung und für uns der Anlass, den Wert und die Bedeutung eines einzelnen Menschen in den Mittelpunkt zu stellen: Max Michaelis. Wir stehen hier um an unseren Vater, Großvater, Urgroßvater und Onkel durch unsere Gegenwart zu erinnern.

 

Die Spur seines Lebens verliert sich im Außenlager von Buchenwald / Flößberg, in dem für die Rüstungsindustrie eine Produktionsstätte angelegt wurde. Unser Vater war körperlich und seelisch ungewöhnlich robust. Vor allem aus der unerschütterlichen Kraft seines Glaubens überstand er die Strapazen der Zwangsarbeit und die Deportation bis nur wenige Tage vor Kriegsende!

 

Die Spur, die er im Leben seiner Kinder hinterlassen hat, ist vor allem: Die Liebe zu Menschen, einen Glauben, der aus dem „Dennoch“ lebt und die Bereitschaft, sich den Herausforderungen des Lebens zu stellen.

 

Es ist uns wichtig heute auch an unsere Mutter zu erinnern, deren Leben überschattet blieb von der unheilvollen Zeit. Wir verstehen erst heute, dass unsere Mutter die Trauer über das erlittene Leid nie überwinden konnte, so sehr wir uns als Töchter bemühten, ihr dabei zu helfen. Dieser Trauer haben Worte gefehlt und ein Verstehen, dass sie, unter den Menschen, die wie sie unter den Folgen des Krieges litten, einen Platz suchte um neu anzufangen. Sie und wir mit ihr sind verstummt, oder suchten eine ausweichende Sprache. Wir haben es vorgezogen, die durchlittenen Erfahrungen für uns zu behalten, um spätere Generationen nicht mit traurigen Erinnerungen zu belasten. Und so blieb ein allzu bekanntes Lebensgefühl „nicht wirklich dazuzugehören“

 

Darum ist es mehr wie ein Dank an den, im letzten Jahr verstorbenen Erich Droste zu erinnern. Er trug ein Wissen über das Schicksal von Max Michaelis in sich und empfand es als seinen Auftrag, dieses Wissen mit Pastor Roland Hentschel zu teilen. Durch ihn haben wir zum ersten mal nach so langer Zeit erfahren, wie befreiend es ist, befragt zu werden - und antworten zu können.

 

Im Hebst 2009 wurde dann in dem Gottesdienst das Schweigen aufgebrochen und warmherzige, eindeutige Worte für eine Leidensgeschichte und erlittenes Unrecht gefunden.

 

Dank an die Immanuelsgemeinde Hermannshöhe, die sich trotz widerstreitender Gefühle und Ansichten, der Aufgabe gestellt hat, für Verhalten in einer unmenschlichen Zeit eine verbindende und aussöhnende Sprache zu finden. Das es möglich ist wird heute den Gedenkstein für Max Michaelis vor den Eingang der Gemeinde zu legen bewegt uns nicht nur, sondern erscheint uns wie ein Wunder. In unserer Einladung zu diesem Tag haben wir geschrieben

damit das Gestern von Damals

heute nicht und nie mehr

zu einem Morgen wird

Wir wünschen der Gemeinde auch beim Neuanfang in diesen Räumen Gottes spürbaren Segen und für alle Menschen, die hier aus- und eingehen, die liebende Gegenwart Gottes und das es hier für Junge und Alte einen Lebensraum gibt.

 

Von Herzen dankbar sind wir für unsere erweiterte Familie, die wir auf so unverhoffte Weise gefunden haben, über den Internetbeitrag der Gemeinde. Aus Beilstein sind unser Cousin Walter Michaelis und seine Frau Christa gekommen und aus Kulmbach Bernard Michaelis und Christine Trinath. Der unermüdlichen Suche von Bernard ist es zu verdanken einen Zugang zu den gemeinsamen Wurzeln gefunden zu haben.

 

In diesem Rahmen möchten wir in unser Gedenken die Namen der unmittelbaren Familienangehörigen der Familie Michaelis, die namenlos und ohne Würde ihr Leben verloren haben, nennen.

 

Simon Michaelis

im Untergrund verstorben

und beerdigt auf dem jüdischen Friedhof in Berlin 1943

Rosa Michaelis, Auschwitz 1943

Erich und Johanna Michaelis geb. Hirsch, Auschwitz 1942

Meta Kahn geb. Michaelis mit Sohn Heinz, Riga 1942

Ludwig Kahn, Sachsenhausen 1943

Alfred Michaelis, Ravensbrück 1941

 

Otto Michaelis war zunächst in Sachsenhausen interniert, konnte dann nach England ausreisen. Anna Michaelis geb. Rohde, mit Walter, durchlebte die schrecklichen Jahre in Deutschland bis sie ebenfalls nach England auswanderte um dort gemeinsam mit all den belastenden Erinnerungen ein neues, gemeinsames Leben beginnen können.

 

Herbert und Frau Martha, nachdem sie ebenfalls aus der Baptistengemeinde Berlin-Neukölln ausgeschlossen wurden, fanden bei der Lutherischen Kirchengemeinde Melanchton im Untergrund Schutz – und überlebten. 1949 wanderten sie nach Amerika aus. Herbert und Martha waren durch unseren Vater gläubig geworden und gehörten bis zu ihrem Tod – gemeinsam mit Sohn Siegfried – auch dort einer Gemeinde an.

 

Wir möchten euch allen danken die ihr heute zu dieser Feier gekommen seid um mit uns die Erinnerungen und Gefühle zu teilen. Freundschaften, echte Beziehungen haben uns getragen und bestimmt – für eure Zuneigung einen ganz liebevollen Dank. Einige Gäste möchte ich besonders erwähnen:

 

Herzlich willkommen heißen möchte ich Renate Makowka geb. Häsing. Wann immer wir als Familie an die heimatlose Zeit denken, ist es verbunden mit dem bedingungslosen Beistand und der Hilfe die wir durch deine Eltern und die Familie Häsing empfangen haben. Dafür sei dir stellvertretend gedankt – und gib diesen Dank auch an deine Schwestern weiter.

 

Aus Hamburg ist Pastor Roland Fleischer angereist, der mit Ronald Hentschel zusammen auf Bundesebene im kirchengeschichtlichen Beirat mitarbeitet.

 

Aus Solingen ist die Oberin der Bethanien-Schwesternschaft gekommen.

Euch allen ein herzliches Willkommen!


Nach der Feierstunde laden wir Sie alle zu einem Imbiss ein und freuen uns auf eine persönliche Begegnung.

 

Der Sohn unserer Schwester Magdalena, Hartmut Strauß, kann an diesem Tag nicht hier sein, hat uns aber einen persönlichen Brief geschrieben. Diesen Brief hat er beendet mit einem Gebet von Hans Dieter Hüsch das überschrieben ist mit

 

Trost und Hoffnung!

 

Dein Blick tut uns genüge

du weißt, was Elend ist!

Wir trösten und wir fügen uns,

o Herr Jesus Christ!

 

Am Ende lebt die Liebe

ja einzig und allein.

Drum komm und sprich und übe

mit uns das Glücklichsein!


Wir brauchen dein Erbarmen

im finsteren Weltgeschehen

Bis wir in deinen Armen

uns alle wiedersehen!

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Gedenken an den Vater - Ursulas Besuch in Flößberg

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